Jerry Carbon 2: Heißer Tanz unter blauer Sonne

Kurt Kobler

Nach dem ersten Crossover „Bomben, Gangster und Mutanten“ zwischen den beiden am längsten laufenden Heftromanserien der Welt Jerry Cotton und Perry Rhodan legt Kurt Kobler mit dem zweiten Band „Heißer Tanz unter blauer Sonne“ nach. Auch wenn die Handlung wie bei jedem Jerry
Cotton in sich abgeschlossen ist, empfiehlt es sich, die Reihe mit dem ersten Band anzufangen. Der Hintergrund muss nicht unbedingt etabliert werden. „Bomben, Gangster und Mutanten“ spielt auf auf dem Homeground Jerry Cottons- New York. In den frühen Perry Rhodan Bänden spielt auch eine
Episode in der Stadt, die niemals schläft. Aber Kurt Kobler führt einige aus dem Fandom bekannte  Nebenfiguren ein, von denen der Zeitungsjunge und inzwischen Redakteur nur eine Erwähnung findet.

Im Mittelpunkt steht viel mehr Roberto Vogle, ein bekannter Dealer und Kleinkrimineller, der inzwischen seine Aktivitäten auf das Ferrolsystem ausgedehnt hat.
Es lohnt sich, den Roman mit dem Nachwort zu beginnen, wenn man nicht mehr oder noch nicht ausführlich mit den Vorgängen während der Entstehung der Dritten Macht auf der Erde vertraut ist.
Ohne viel vom Plot zu verraten gibt Kurt Kobler einige Hinweise, zwischen welchen Perry Rhodan Bänden diese Crossover Geschichte spielt. Der Plot spielt in dem Jahr zwischen Perry Rhodan 21 „Der Atomkrieg findet nicht statt“ und 22 „Thoras Flucht“. Der Hauptteil der Handlung spielt im Wegasystem, das Perry Rhodan von den Topsidern befreit hat. Daher ist es wichtig, die grobe Handlung der Perry Rhodan Roman zehn bis einundzwanzig zu kennen, wobei sowohl ES als auch die
Suche nach WANDERER nur am Rand eine Rolle spielen. ES zeigt zumindest Jerry Cotton alias Jerry Carbon seine beachtlichen Fähigkeiten und der Jaguar ist nicht mehr so, wie er auf den geraden Straßen von New York gewesen ist.


Kurt Kobler greift aber auch auf ein von H.G. Ewers im „Meister der Insel“ entwickeltes Volk zurück und schließt die Flanke, welche Ewers und Frank Borsch in ihren jeweiligen Arbeiten offen gelassen haben. Das ist eine Spekulation Kurt Koblers am offenen Herzen, denn auf der einen Seite darf er im
Serienkosmos die Bausteine nicht verschieben, auf der anderen Seite müssen die Sequenzen auch glaubwürdig erscheinen. Kurt Kobler selbst schreibt davon, dass „Bomben, Gangster und Mutanten“ eher ein Jerry Cotton Roman mit Perry Rhodan Einfluss gewesen ist, während die Fortsetzung „Heißer
Tanz unter blauer Sonne“ sich mehr als Perry Rhodan Roman mit einer ungewöhnlichen „Nebenfiguren“ liest, die sich in ihrer Charakterisierung und vor allem humanistischer Handlungsweise nur bedingt von den unzähligen Kleinen Helden unterscheidet, die in mehr als 5000 im Perry Rhodan Kosmos angesiedelten Publikationen ihre Duftmarken hinterlassen haben.


Der Plot verläuft im Grunde auf drei nicht voneinander abgegrenzten Handlungsebenen. Sowohl auf der Erde wie auch der Hauptwelt des Wega Systems gibt es Bestrebungen der Ewiggestrigen, den Fluss der Zeit umzudrehen und die Beziehungen zur Erde – aus Sicht der konservativen Kräfte im
Wega System – zu zerstören bzw. auf der Erde vor allem gegen Perry Rhodan und seine dritte Macht als neue allmächtige Macht. Dabei schrecken die Feinde nicht vor Attentaten zurück, wie Jerry Carbon unmittelbar vor seinem zweiten Flug ins All – Kurt Kobler baut einen kleinen Hinweis auf den
Jerry Cotton Roman „Mondbasis- Mordbasis“ ein – erfahren muss. Im Wega System wollen konservative hochrangige Kräfte die Abweisung des Thorts auf einem anderen Planeten des riesigen System nutzen, um mittels eines Putsches die Macht zu übernehmen und die Terraner aus ihrem System zu vertreiben.


Die eigentliche erste Handlungsebene ist Jerry Carbons Mission, den angesprochenen Roberto Vogle auf dem Wegasystem zurück auf die Erde zu bringen. Nach seinen verschiedenen krummen Geschäften auf der Erde hat sich Roberto Vogle abgesetzt und versucht, unter der blauen Sonne sein
kleines Schmugglerreich wieder aufzubauen. Dabei ist er anscheinend einigen örtlichen Kräften auf die Füße getreten und fand sich relativ schnell im Gefängnis wieder. Allerdings eher in Schutzhaft, wie er glaubhaft dem extra - um die Form zu wahren – ausgesandten FBI Agenten vermittelt.
Auf Ferrol haben die Grabungsarbeiten eine kleine Höhlenanlage freigelegt, in deren Zentrum ein weiterer Fiktivtransmitter stehen könnte. Perry Rhodan hat während seiner Suche nach ES und dem Planeten Wanderer mit diesen mächtigen Transmittern schon Erfahrung gemacht. Zu seinem mit
zwei angeforderten Mutanten – neben Betty Toufry aus „Bomben, Gangster und Mutanten“ betritt natürlich der Mausbiber Gucky die Crossover Bühne – aufgefüllten archäologischen Team um eine wunderschöne, blauhäutige Wissenschaftlerin gesellt sich auch Jerry Carbon, der Roberto Vogle einfach an Bord des Kugelraumers auf dem Raumhafen Ferrols in Sicherheit wähnt.


In der ersten Hälfte des Romans nutzt Kurt Kobler den Raum, um nicht nur das Szenario zu etablieren, sondern auch einige Leser über die zwischen dem ersten und zweiten Jerry Carbon Band vergangenen vier Perry Rhodan Jahre zu informieren. Genau wie am Ende des Jerry Carbon
Abenteuers macht es Kurt Kobler auf eine unauffällige, dialoglastige Art und Weise. Der Handlungsfluss wird nicht unterbrochen.
Hinzu kommt, dass Jerry Carbon zum ersten Mal das Sonnensystem verlässt und aus der subjektiven Sichtweise eines gestandene Mannes in einem neuen Technikwunderland die Veränderungen durch die arkonidische Technik, aber auch den beginnenden Handel mit dem Wegasystem dargestellt
werden können. Immer noch ist die Dritte Macht kein von den meisten Politikern anerkannter globaler Player und weiterhin muss ein Schutzschirm die inzwischen von Galakto City in Terrania City umbenannte kleine Stadt in der Wüste Gobi schützen.


Auch die sozialen und politischen Verhältnisse auf Ferrol werden Jerry Carbon stellvertretend für den Leser noch einmal vor Augen geführt. Kaum hat der Roman die Halbmeilenmarke – um mit dem Amerikaner Jerry Carbon zu sprechen - erreicht, zieht der Autor das Tempo deutlich an. Neben dem
Verschwinden zweier klassischer Perry Rhodan Charaktere bricht der Aufstand gegen die Terraner aus. Nur der auf einer anderen Welt weilende Thort könnte dem politisch außer Kontrolle geratenen Geschehen ein Ende setzen. Gleichzeitig muss Jerry Carbon mit Hilfe des einzigen Freiwilligen, der über Ortskenntnisse verfügt, einer vagen Spur in die Berge folgen.


In „Bomben, Gangster und Mutanten“ hat Kurt Kobler auf ein langgezogenes, aber auch teilweise ein wenig konstruiertes Finale gesetzt. In „Heißer Tanz unter blauer Sonne“ agiert der Autor deutlich nuancierter und damit auch überzeugender. Nicht jedes Klischee muss bedient werden. Viel mehr
baut Kurt Kobler eine gewisse Erwartungshaltung nicht nur in Jerry Carbon, sondern auch dem Leser auf, um dann eine gänzlich andere Lösung zu präsentieren. Nicht umsonst ist Jerry Carbon ein Mann, der Katzen und kleine Kinder selbstlos rettet. Da machen seltsame Außerirdische mit vagen
Versprechungen auch keinen Unterschied mehr. Was flapsig klingt, wird von Kurt Kobler im engen Korsett der allerdings auch ein wenig vagen Vorgaben H.G. Ewers und eines noch jungen, enthusiastischen und vor allem auch inhaltlich überzeugenden Frank Borsch jederzeit respektvoll und
nachvollziehbar in die Perry Rhodan Handlung eingepasst.


Schon im ersten Band wirkte der geschäftstüchtige Roberto Vogle – die Vorlage ist von unzähligen Cons ja bekannt – nicht wie der böse Schurke, sondern wie eine der zahlreichen ambivalenten Figuren, die ihre Ecken und Kanten haben müssen, aber als Schattenhelden durchaus ihren Mann
stehen können. Es wäre vielleicht schade um die Figur, wenn die von Kurt Kobler implizierte Rehabilitation im direkten Feldeinsatz jetzt einsetzen würde. Dazu ist Roberto Vogle vor allem auch im Vergleich zum fast biederen, ein wenig zu trocknen Jerry Carbon zu charismatisch angelehnt.
Diese Gentleman Gauner haben es in den meisten Romanen auch leichter als die klassischen Protagonisten. Sie biegen sich ihre Welt zurecht, wie es ihnen gefällt und müssen nicht auf die Fallstricke der Gesetze achten. Aber Roberto Vogle bekommt nicht nur als Ratgeber in Sachen Ferroll, sondern vor allem auch als Beifahrer Jerry Carbons auf einer verzweifelten Mission ausreichend Raum, um positiv gesprochen Präsenz zu zeigen.


Kurt Kobler kennt sich sehr gut Frühzeit der Perry Rhodan Serie aus. Das zeigt nicht nur der respektvolle Umgang mit den bekannten Figuren – Gucky ist allerdings schon in seinem Element -, sondern das Aufgreifen kleinerer Facetten der Hauptserie mit dem langen Gespräch zwischen Jerry
Carbon und Perry Rhodans Marionettenstellvertreter Michael J. Freyt. Mit diesem Männeraustausch über zwei Gläsern Whiskey schlägt Kurt Kobler auch den Bogen zu einer relevanten Szene im handlungstechnisch allerdings schon veröffentlichten Perry Rhodan Roman 21 „Der Atomkrieg findet nicht statt“. In der Perry Rhodan Serie haben sich Freyt und Rhodan schon ausgesprochen, daher wirkt dieses melancholische Nachkarten fast schon zu sehr aufgesetzt, soll aber Freyts Rücktritt aus
der theoretischen Führungsphalanx der Dritten Macht noch einmal verdeutlichen.


„Bomben, Gangster und Mutanten“ lebte von der Integration der Perry Rhodan Sujets in eine fast klassisch klischeehaft zu nennende Jerry Cotton Handlung. Innerhalb von sechzig Minuten muss ein Jerry Cotton Roman gelesen und damit auch der entsprechende Fall gelöst werden. Von den Doppelbänden war die langlaufende, zu Beginn ausschließlich in New York spielende Serie noch hunderte von Heftromanen entfernt. Dieser originelle, auf den ersten Blick auch ein wenig bizarr
wirkende Ansatz gilt nicht mehr für die Fortsetzung. Und trotzdem liest sich „Heißer Tanz unter blauer Sonne“ nicht nur mindestens genauso gut, sondern phasenweise sogar besser. Der Hintergrund dieser Cross Over Serie wurde im ersten Buch etabliert, auch wenn Kurt Kobler einige Seiten braucht, um vor allem die verschiedenen Entwicklungen im Perry Rhodan Universum zusammenzufassen. Die Handlung ist eher ein Perry Rhodan Plot der frühen Serien mit „fiesen“
legendären Außerirdischen, entführten Helden und einer Befreiung in letzter Minute. Aber für jedes absichtlich etablierte Klischee hat Kurt Kobler in diesem bis auf wenige flapsige Bemerkungen – die Schlümpfe wurden in unserem realen Univserum erst Ende der sechziger Jahre in Deutschland
populär, in den USA erst mittels einer produzierten Fernsehserie in den achtziger Jahre und Vadder Abraham kam noch später, zuerst gab es nur den Großen Schlumpf mit seinem weißen Bart - stilistisch sehr stringent verfassten Roman die richtige, wie überraschende Antwort. Vielleicht wird
die Geschichte mehr die Perry Rhodan Fans als die Jerry Cotton Anhänger ansprechen, aber alleine die Idee, mit einem roten Jaguar unter einer blauen Sonne in steinige Gebirge zu fahren, ist die lesenswerte Hommage wer

Jerry Carbon 02

Herausgeber: Terranischer Club EdeN / Autor: Kurt Kobler
Softcover DIN A5 / Umfang: 88 Seiten
Preis: 3,80 EUR / Versand 2 Euro in Deutschland, 3,80 EUR EU

https://www.terranischer-club-eden.com/